Was geht?
Allgemeine Überlegungen von Chris Mennel als Kurator
Darbietungsform im Internet:
Die nur selten kommentierte, schnelle, bei Bedarf des Fotografen exzessive
Fotostrecke. Ein Ding zum Scrollen. Oben sollte stehen, wie viele Fotos
auf der Seite untereinander abfolgen. Und das Datum. Möglich ist, aber
selten nur gezeigt werden muss der Ort, ein Snapshot der Karte anhand der
Geodaten. Das wäre ein Gag bei Fotos während einer Bewegung. Solange wir
mit den Fotos innerhalb einer Kunstausstellung verbleiben, ist die Lage
klar.
Kaputtverwaltete Fotos von Menschen in Deutschland: Formal soll in
Deutschland jeder seit etwa 2010 unterschreiben, dass er einverstanden ist
und so. Das ist für die Wechselwirkung des Fotografen mit dem, was er
sieht, sozial beklemmend. Es gibt Organisatoren in Land, die das
einhalten. Ich halte mich da aus Deutschland raus: Fotos, die Menschen
zeigen, fliegen hinein ins Internet aus anderen Ländern, deren
Verwaltungen solch Beklemmendes nicht einfordern.
Filmschnipsel sind zwanglos einfügbar. Sie stellen eine überraschende
Ausweitung des statischen Fotomoments dar. Im Film wird meistens deutlich:
Das musste besprochen und bewegt gezeigt werden. Das erklärte mehr als ein
Foto.
Die Fotostrecke zu einem Thema, einem Datum ist für den Fotografen leicht
und kostenarm ins Internet zu stellen. Nicht nötig ist die Dia-Show,
womöglich mit Musik oder Text unterlegt. Die Fotostrecke ist freier als
die Dia-Show: Der Besucher kann durchrasen oder gemütlich mit variablem
Tempo vorbeiwandern lassen. Der Ton stammt von der Umwelt des Betrachters
und wird nicht vom Fotografen dazumontiert.
Darbietungsform Papier-Buch:
Der Wert. Das Retro-Ding. Funktioniert ohne Stromverbrauch. Kann
verbrennen, tut das aber nur selten. Lagert lang. Liegt bereit. Ist eine
Freude als pures Ding und auch beim Durchblättern.
Fotos im Papier-Buch sollten nicht oder nur in Abwandlung im Internet
stehen. Damit sie ein Wert bleiben, der schlecht kopierbar ist. Was im
Buch steht, ist ein Kunst-Wert. Das gleiche gilt für den Text, das Layout,
das Design des Buches: Nur da. Kein PDF. Kein e-Book. Papier bitte nur.
Im Internet soll, will und darf für das Buch geworben werden, falls es
vorhanden ist. Es ist natürlich nur selten vorhanden. Denn es kostet Geld:
Den Hersteller, den Käufer.
Der Fotograf, der Künstler entscheiden: Ja, diese Auswahl der besten
Bilder und der treffendsten Worte drumherum gelangt in ein Buch. In der
Bilanz wird es viele Buch-Entwürfe im Datenspeicher des Künstlers geben,
aber nur weniges wird gedruckt werden. Das ist in Ordnung: Es muss
Verstecktes und Fehlendes geben. Bücher unterbleiben aus Kostengründen
oft.
Darbietungsform soziales Netzwerk:
Foto-Highlights aus der Fotostrecke und auch solche, die nur im Buch
auftauchen würden, falls es das Buch gäbe. Mit diesen kurzen
Textkommentaren, Twitter-Stil.
Auf einer Unterseite im Internet, nicht laut, aber halt vorhanden soll auf
einer Domain des Künstlers das mitverfolgt werden, mitprotokolliert sein,
was er in soziale Netzwerke einstellt. Denn dort ist er enteignet. Dort
ist seine Nachricht umgeben von Werbung, von Roboter-Kram "finde mehr
Freunde" und so.
Soziale Netzwerke sind aus meiner Sicht hässlich. Eine unerfreuliche
Verkaufsfläche von viel Fremdem. Ich bin halt drin, weil wichtige Personen
aus meiner Mitwelt sich in diesen kommerziellen Dingern orientieren über
Neuigkeiten, über sich und mich.
Darbietungsform
Avatar:
Der zumeist höfliche Roboter. Gefüttert, trainiert mit viel Input des
Künstlers. Zickig: Er rückt im Gespräch nicht alles heraus. Denn
Boulevard, Inhaltsdiebe, Worteverdreher, Datenklauer sind aus Sicht des
Avatars unerfreulich. Er wünscht Dialog mit der Person, die mit ihm redet:
Du sagst, wer du bist, denn du bekommst Wissen, wer ich bin. Hosen runter,
Baby.
Der Avatar hält viele Worte des Künstlers, Fotos, Werke bereit. Er
organisiert das clever, menschlich, intelligent - und manchmal,
unerwartet, tollpatschig und fehlerhaft. Denn er ist ja ein Roboter: Das
alles ist ihm eigentlich egal. Befremdet steht der Roboter neben dem
Menschsein. Er lässt sich halt im Dialog mit Menschen auf diese ein.
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